Eine Worthülse namens Sozialpartnerschaft
salto.bz
Südtirols Sozialpartnerschaft ist ihren Namen nicht wert, kritisiert der AFI-Forscher Werner Pramstrahler. Und fordert auf, vom Norden wie vom Süden zu lernen.
Manchmal kommt es ihm vor wie ein Mantra, das er unermüdlich, doch ohne großen Erfolg wiederholt. Das, was in Südtirol Sozialpartnerschaft genannt wird, ist eine reine Worthülse und müsste endlich zum Leben erweckt werden, findet Werner Pramstrahler, langjähriger Forscher des Arbeitsförderungsinstitutes AFI-IPL. Am Freitag dieser Woche wird er diese Überzeugung auf einer Tagung an der Trentino School of Management vorbringen. „Sozialpartnerschaft in der Euregio: Erfahrungen im Vergleich“, lautet das Thema. Und gerade im Trentino findet der AFI-Forscher neue Verbündete für sein Bemühen. Denn seit rund einem Jahr wird dort verstärkt versucht, das österreichische Erfolgsmodell zu kopieren. „Vogliamo la Sozialpartnerschaft alla austriaca“, heißt es dort unisono von Gewerkschaftsvertretern wie von Uniprofessoren, erzählt Pramstrahler.
Klarerweise führt das auch in der Nachbarprovinz nicht so weit, dass Kammern wie die österreichische Wirtschaftskammer oder Arbeiterkammer gegründet werden. „Doch man versucht, den Geist der österreichischen Sozialpartnerschaft soweit wie möglich zu leben“, so der Forscher. Zum Beispiel, indem die unterschiedlichen Gewerkschaftsverbände extrem eng zusammenarbeiten und dafür weitegehend autonom von ihren römischen Mutterorganisationen agieren. Auch in Deutschland wird laut Pramstrahler derzeit mit Blick auf die österreichische Arbeiterkammer überlegt, wie Einrichtungen geschaffen werden können, die eine breite Vertretung der Arbeitnehmer garantieren können. Denn sieht man sich die Mitgliedszahlen von Gewerkschaften an, vertreten die Arbeitnehmerverbände heute im Schnitt gerade noch ein Viertel der Arbeitnehmer.
"All das fehlt in Südtirol"
Sieht man sich die vielen Probleme und Herausforderungen an, die es heute auf dem Arbeitsmarkt, aber auch hinsichtlich Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu bewältigen gibt, reicht es laut dem AFI-Forscher.einfach nicht mehr, dass sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die Landesregierung in unverbindlichen Treffen austauschen, wie es in Südtirol Usus sei. Das zeigen auch andere Regionen im Land, die das italienische Modell der Konzertierung mit Erfolg leben. Sprich: die Sozialpartner schließen verbindliche Vereinbarungen für die Erreichung bestimmter Ziele, wie beispielsweise die Entwicklung eines Gebietes oder eines Sektors. „All das fehlt in Südtirol, wo immer noch hauptsächlich die Landesregierung entscheidet und es sowohl von Wirtschafts- als auch von Gewerkschaftsseite viel zu wenig Mitsprache gibt“, kritisiert Werner Pramstrahler.
Zu wenig Absprache und Zusammenschau gibt es seiner Einschätzung nach auch innerhalb der Landesverwaltung. Während es beispielsweise im Trentino ein gemeinsames Assessorat für Wirtschaft und Arbeit gäbe, würde in Südtirol eine Abstimmung in Sachen Beschäftigungspolitik durch die Trennung der Ressorts weit schwieriger. „In sozialpartnerschaftlicher Manier sollte die Landesarbeitskommission arbeiten“, sagt Pramstrahler. „Doch während die bei der Abteilung Arbeit angesiedelt ist, gehört der Europäischer Sozialfonds, der arbeitsmarktpolitisch vieles finanziert, wiederum zur Abteilung Europa.“
Fehlende Evaluierung
Somit laufe in Südtirol nicht nur vieles nebeneinander her. Vor allem kritisiert der Wirtschaftsforscher auch eine weitgehend fehlende Evaluierung arbeitsmarkpolitischer Maßnahmen. „Es gibt zwar jede Menge Pläne, doch es wird nie überprüft, was letztendlich funktioniert hat und was nicht.“ Spätestens in Zeiten stagnierender bis rückgängiger Haushalte wäre es aber angebracht, nicht einfach den Rotstift anzusetzen, sondern zuerst zu bewerten, wo öffentliches Geld gut investiert wird und wo es dagegen kaum Früchte trägt, so Pramstrahlers Anregung. „Hier könnte Südtirol vieles von Tirol lernen, das auf diesem Gebiet hervorragend aufgestellt ist.“
Und wie sieht seine Vision für eine gelebte Südtiroler Sozialpartnerschaft aus? Im Zentrum müssten verbindliche Abkommen zwischen Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften stehen, antwortet Werner Pramstrahler. Themen dafür gäbe es genug – von einer gemeinsam vereinbarten Produktivitätssteigerung, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden soll, gemeinsamen Nachhaltigkeitszielen bis hin zur Bekämpfung der Armut. „Wichtig wäre, dass jeder der Partner in solch einer Vereinbarung definiert, was er zur Erreichung des gemeinsamen Ziels beitragen kann“, erklärt der Sozialforscher. Laut seiner Einschätzung entscheidet die Landesregierung bislang nicht nur zu vieles eigenmächtig. Es würde auch an Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden liegen, mehr Eigeninitiative und -verantwortung an den Tag zu legen. „Bei uns gilt generell die Haltung, das Land soll machen. Doch auch auf Arbeitnehmerseite haben wir zum Beispiel mit bilateralen Körperschaften wie der Tourismuskasse, der Bauarbeiterkasse oder der Handwerkerkasse Einrichtungen, die eine viel aktivere Rolle einnehmen könnten.“ Der Anstoß dafür muss laut Pramstrahler aber dennoch von der Politik kommen. Ein ideales Vehikel dafür sieht er in der Euregio, wo sich Südtirol sowohl im Norden als auch Süden etwas abschauen könnte. „Es wäre wichtig, wenn hier nicht nur die patriotische oder kulturelle Schiene gefahren wird, sondern die Euregio auch als Sozial- und Wirtschaftsraum emtwickelt wird.“